27.03.2006


Hans Maier, Reiner Kunze, Ralph Giordano, Hans Krieger

Orientierungshilfe und Mahnung

Mit ihrer Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung im August 2000 hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung ganz erheblich dazu beigetragen, daß eine Revision der mißratenen Rechtschreibreform möglich wurde.

Der Gewinn dieses beispielhaften Engagements darf jetzt nicht durch einen voreiligen Kompromiß verspielt werden. Die vom Rat für deutsche Rechtschreibung empfohlene und von den Kultusministern beschlossene Reform bringt zwar wesentliche Verbesserungen, löst die entscheidenden Probleme aber nur teilweise und läßt vieles ungeklärt. Als durch Zeitdruck erzwungenes Halbfertigprodukt ist sie lückenhaft und widersprüchlich und bietet keine solide Grundlage für verläßliche Wörterbücher. Neue Unsicherheit und Verwirrung ist damit vorprogrammiert. Sollte dieser unausgereifte Kompromiß jetzt verbindlich werden, dessen Mängel im Leitartikel von Hubert Spiegel „Richtig und falsch“ (F.A.Z. vom 4. März) klar analysiert wurden, so wird die Sprachgemeinschaft der Chance einer dauerhaft befriedigenden Lösung beraubt. Eine echte Wiederherstellung und Sicherung der Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung wird für lange Zeit unmöglich.

Um so wichtiger wird es nun, daß die F.A.Z. an der bewährten Rechtschreibung festhält – unabhängig von der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz. Die Sprachgemeinschaft braucht dieses Beispiel einer vernünftigen Schreibung dringend als Orientierungshilfe und als Mahnung, den vorerst erzielten Kompromiß nicht als endgültig zu betrachten, sondern nachhaltig zu verbessern. Selbst die Schüler, denen angeblich der Anblick der bewährten Schreibweisen nicht mehr zugemutet werden darf, brauchen genau dies, um Bücher in klassischer Rechtschreibung auch künftig problemlos lesen zu können; verwirrt werden sie nicht nur durch die Fortexistenz der bewährten Schreibung, sondern durch die Undurchschaubarkeit der neuen Schreibregeln, die leider mit der Reform der Reform durch zahllose neue Spitzfindigkeiten und Widersprüche noch vermehrt wird.

Das Eintreten der F.A.Z. für die bewährte Schreibung zeugte von Sprachbewußtsein und bildungspolitischer Verantwortung. Wir bitten die Herausgeber der F.A.Z. mit aller Dringlichkeit, sich in diesem vorblildlichen Engagement für die Sprachkultur nicht irremachen zu lassen.

Professor Dr. Hans Maier, München
Reiner Kunze, Obernzell-Erlau
Ralph Giordano, Köln
Hans Krieger, München

F.A.Z., 27. 3. 2006, Briefe an die Herausgeber



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