17.10.2005


Woran sie glauben

Die Ausbreitung des orthographischen Kreationismus

Ein in Reformanhängerkreisen weit verbreiteter Glaube will es, daß die Orthographie des Deutschen sich nicht von selbst herausgebildet hat, sondern gemacht wurde. Sie hatte einen Schöpfer.

In der am häufigsten anzutreffenden Variante war dieser Schöpfer die Zweite Orthographische Konferenz von 1901. »Die ‚alte‘ Rechtschreibung wurde«, schreibt etwa der unverbesserliche Dieter E. Zimmer, »von einem kleinen Gremium aus Beamten und Experten hinter verschlossenen Türen in ein paar Tagen ausgehandelt« (Sprache in Zeiten ihrer Unverbesserlichkeit, Hoffmann und Campe 2005).

Zimmer und seine Anhänger könnten es besser wissen (indem sie es z. B. nachlesen bei Heide Kuhlmann oder Theodor Ickler [pdf–Datei]), doch sie ziehen es vor zu glauben. Sie vertreten sozusagen einen orthographischen Kreationismus: Daß eine Orthographie sich von selbst entwickelt, ist undenkbar; dergleichen anzunehmen, hat, wie die Online–Zeitschrift Telepolis beipflichtet, gewissermaßen etwas Heidnisches.

Das abergläubische Denken hält sich für wissenschaftlich. Man kennt das Phänomen von der antidarwinistischen Bewegung in den USA. Die Evolutionslehre ist nur eine Weltanschauung, die Lehre vom Intelligent design dagegen eine Wissenschaft. Daß dieselbe Zeitschrift Telepolis ausgerechnet vor Intelligent design nun wiederum warnt, ist ein Widerspruch, der aufrechte Sektierer nur stärker macht.



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http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=347