Nachrichten rund um die Rechtschreibreform
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10.12.2005
„Eine etwas verworrene Sachlage“
Wahrig warnt
Der Bertelsmann-Verlag Wissen Media, in dem auch der Wahrig erscheint, schenkt seinen Kunden reinen Wein ein.
Ein öffentlicher Konsens – so der Verlag in einem Rundschreiben – über das, was korrekte Rechtschreibung sei, existiere nicht mehr. Eine »Entscheidung der politisch Verantwortlichen« darüber, ob und wie der Konsens wiederherzustellen sei, werde »nicht vor Frühjahr 2006« fallen. Der Verlag bittet um Verständnis dafür, daß er bis dahin mit aktualisierten Rechtschreibkorrekturprogrammen nicht dienen kann.
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Kommentar von Marc Eckes, verfaßt am 10.12.2005 um 17.45 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2481
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Auf heise-online wird heute über die R.-Reform mal wieder heftig diskutiert. Hier ein Kostproben-Beitrag aus Kreis der Betroffenen:
Leser-Feedback zum Beitrag
10. Dezember 2005 17:31
Und wie sollen "die Kleinen" bitte vernünftig Deutsch lernen?
Steffen Leist (789 Beiträge seit 10.10.04)
Dieses Rechtschreibchaos ist unfassbar. Ich habe Kinder in verschiedenen Klassen (1-4) hier in der örtlichen Grundschule. Von Klasse zu Klasse unterscheidet sich, was der Lehrer gerade als "Richtig" oder "Falsch" [!] bewertet. Es kommt immer wieder zu Diskussionen zwischen den Kids, wenn sie sich untereinander helfen bei den Hausaufgaben. (Mein Lehrer hat aber gesagt...) Und als Eltern [!] stehst du ratlos daneben. Das ist doch kein Zustand. Ich frage mich, wie man den Kids da noch vernünftig Rechtschreibung beibringen will.
Ich bekomme auch jedesmal die Krise, wenn in der Firma Bewerbungen eintreffen. Was da verzapft wird, brrrr. Die Situation ist wirklich einfach unhaltbar.
Gruß
S.Leist
der inzwischen schreibt, wie es ihm in den Kram passt...
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Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 10.12.2005 um 21.57 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2483
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An der Diskussion im Heise-Forum fällt, wie so häufig, auf, daß die Reformbefürworter kaum echte Argumente vorbringen, dafür aber Reformgegner mit Inbrunst beschimpfen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dies ein Spiegelbild der allgemeinen Diskussion ist. Es ist wirklich eine Schande.
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.12.2005 um 15.36 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2489
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Mir scheint, viele solcher Äußerungen und nun diese offiziöse von Bertelsmann haben dazu beigetragen, daß sich das Gefühl ausbreitet: Die Reform ist am Ende, und so geht es nicht weiter! Das ist gut für unsere Sache, deshalb sollte man selbst kleine Meldungen dieser Art möglichst weit verbreiten. Auch die Nachrichtenagenturen müssen den Eindruck gewinnen, daß sie auf dem falschen Dampfer sind.
Ob die Bertelsmänner wirklich glauben, im kommenden Jahr sei die Lage stabil genug für eine Update-Empfehlung? So dumm sind sie wohl nicht. Übrigens erwarte ich von Bertelsmann eher ein Umdenken als von Duden.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.12.2005 um 15.49 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2499
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Eine unhaltbare Situation kann nicht beliebig lange bestehen. Äußerungen wie die von Bertelsmann und vom Berufsbildungsinstitut machen vielleicht anderen endlich Mut, eine nüchterne Bewertung der Situation in ihrem Bereich vorzunehmen. Ehrlich gegen sich und andere, sine ira et studio. Das müßte reichen, ein hausgemachtes, überflüssiges Problem zu den Akten zu legen.
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Kommentar von Johannes Faupel, verfaßt am 13.12.2005 um 12.35 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2505
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Die allgemeine Verwirrung ist inzwischen offiziell in große Verlagsprogramme integriert:
Dr. Werner Scholze-Stubenrecht von der Duden-Redaktion schrieb mir im Juli:
„Wir raten Ihnen im Hinblick auf Ihre Gewährleistungspflicht, mit Ihren Kunden vertraglich zu vereinbaren, in welcher Rechtschreibung und nach welchem Rechtschreibwörterbuch die bestellten Texte verfasst werden sollen. (...)
Wörterbücher und Grammatiken können deshalb auch keinerlei Gültigkeitsgarantien abgeben. Sie stellen nach bestem Wissen und Gewissen den aktuellen Stand des Sprachgebrauchs dar, und zwar genau so lange, bis nach dem Urteil der Redaktionen der Sprachwandel oder neue sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse eine Aktualisierung erforderlich machen. Zuverlässige zeitliche Vorhersagen gibt es dazu nicht.“
Wenn es nach dem Duden ginge, würde ich meine Kunden auf einem Formular ankreuzen lassen, in welcher Rechtschreibung ich die Texte jeweils liefern soll. Ein interessanter Aspekt. Wofür sollen Wörterbuchverlage eine Zusicherung abgeben, wenn nicht für die Stimmigkeit des Inhalts ihrer Bücher, d.h. für die Übereinstimmung mit dem allgemeinen Sprachgebrauch? Inzwischen hetzt man von einer Aktualisierung zur nächsten (alles auf Kosten der Verbraucher), und der Pseudoreform geht dabei leise die Luft aus. Orthographisch relevanter Sprachwandel läßt sich nicht beschleunigen oder per hilflosem Ministererlaß festlegen. Er kann nur beobachtet werden. Und er braucht seine Zeit, weil die Sprachgemeinschaft ihn bestimmt, nicht Kultusbürokraten. Das war immer so und wird auch so bleiben. Außerdem sind es natürlich nicht sprachwissenschaftliche Forschungserkenntnisse, die zu den permanenten Änderungen führen, sondern der absurde Umstand, daß man überhaupt jemals versucht hat, die Sprache zu verändern. Es hat nicht geklappt, man hat sich verspekuliert. Da nützen jetzt auch weitere Machtspielchen der bedauernswerten Kultusminister nichts mehr.
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Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 13.12.2005 um 13.43 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/index.php?show=news&id=367#2506
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RS-Software ist nicht das Thema. Alle derartigen Programme sind nur Krücken, keins beherrscht wirklich irgendeine Orthographie vollständig und korrekt, davon sind sie weit entfernt. Mit der neuen RS ist es sogar grundsätzlich noch schwieriger als mit der alten.
Zur Zeit kann kein Verleger mit Überzeugung sagen, "Unsere Bücher folgen der neuen Rechtschreibung". Bei Erscheinen des nächsten Wörterbuchs (mit der Banderole "Amtlich!") wird ausnahmslos jeder feststellen müssen, daß seine Texte fehlerhaft sind.
Der einzige Weg, konsistente Texte herauszubringen, von denen man sagen kann, um was es sich orthographisch handelt, ist die Anwendung vorreformatorischer Schreibung. (Und mit nichts anderem befindet man sich in so guter und zahlreicher Gesellschaft.) Einsatzfähige Wörterbücher dafür sind nur Duden 1991 und natürlich Ickler (und als Krücke die Einstellung der alten Rechtschreibung in den Textprogrammen). Alles andere hat sein Verfallsdatum schon überschritten.
Den Neuschrieb-Verleger, der mit dieser Situation wirklich zufrieden ist, möchte man sehen. Auf dem falschen Dampfer zu sein, ist aber wohl eine Erkenntnis, die man gern verdrängt.
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