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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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10.10.2005
 

fernschauen
Wie gebräuchlich ist dieses Verb eigentlich in Österreich?

Im ÖWB steht es nicht einmal, obwohl ich oft gelesen zu haben glaube "er schaut fern" usw., allerdings nie im Infinitiv.
Natürlich gibt es das auch außerhalb Österreichs, aber dort wohl noch seltener.



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Kommentare zu »fernschauen«
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Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 10.10.2005 um 18.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1099

fernschauen A CH sw.V./hat: "fernsehen": Wenn sie fernschaut und auch mir der Sin danach steht, gehe ich in mein Zimmer (Nöstlinger, Bonsai 47; A); Gemeint sind ... jene Personen, die während Internetausflügen regelmässig auch fernschauen TA 16.2.2000, 64; CH) — In A Grenzfall des Standards, in CH ist das Wort selten, gilt aber als standardsprachlich. Vgl. schauen

Zitat aus dem neuen "Variantenwörterbuch des Deutschen" aus dem de Gruyter-Verlag. Dieses Wörterbuch hat aufgrund etlicher Belegzitate übrigens keinen geringen Unterhaltungswert.
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 10.10.2005 um 19.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1100

Ist ein "Fernseher" nun das Elektrogerät oder der Mensch, der auf dieses Gerät sieht? Beim "Fernschauer" wäre es eindeutig der Mensch.
Merkwürdigerweise sind die "Zuschauer" in Österreich "Zuseher".
Aber "Nachschau" ist eindeutig etwas ganz anderes als "Nachsicht";
ebenso "Vorschau" und "Vorsicht" oder "Nachsehen" und "Nachschauen".
Um der "Einsicht", dem "Einsehen" und dem "Fernsehen" die Doppelbedeutungen zu nehmen, wären die "Einschau", das "Einschauen" und das "Fernschauen" angebracht.
 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 10.10.2005 um 20.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1101

Aus meiner Sicht ist "fernschauen" mehr im mundartlichen Bereich angesiedelt. Die Mundart aber ist auch in Österreich auf dem Rückzug, und deshalb "sehen" die Menschen hier auch mehr fern als sie "schauen". In meiner Kindheit sagten wir oft: "Schaun ma (schauen wir)a bissal fern!" Oder "Tun ma fernsehnschaun."
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 11.10.2005 um 00.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1103

Google liefert auch für den Infinitiv (vor allem für den substantivierten!) Belege. Am gebräuchlichsten scheint beim Fernschauen zu sein.
Die regionale Verbreitung eines Wortes zu beurteilen ist heute aufgrund der Bevölkerungsdurchmischung und der Zurückdrängung der Mundarten selbstverständlich ungleich schwieriger als früher.
Ich selbst nutze fernschauen privat sogar beinahe ausschließlich und hielt dies bis heute abend eigentlich für »süddeutsch umgangssprachlich«. Im ORF und im SF DRS hört man das Wort des öfteren auch bei Moderatoren, was wiederum im Bayerischen Fernsehen nicht vorkommt, so daß es dort in der Tat häufiger oder zumindest allgemein akzeptierter zu sein scheint.
Die deutschen Belege bei Google stammen bei näherer Betrachtung überwiegend aus dem bayerischen und dem fränkischen Sprachraum. Die von Frau Pfeiffer-Stolz erwähnte Konstruktion mit tun ist auch hier im Fränkischen üblich: »Dou mer fernschaun.« Auch »Fernsehen schauen« wird sehr gern verwendet.
So selten ist das Wort keinesfalls, aber wohl außerhalb des süddeutschen Sprachraumes ungebräuchlich (vgl. z. B. auch das fast nirgends verzeichnete, aber ständig genutzte süddeutsche Füllwort fei, das im Norden trotz seiner Häufigkeit im süddeutschen Alltag nicht einmal verstanden wird).
 
 

Kommentar von R. H. (Schweiz), verfaßt am 11.10.2005 um 09.05 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1104

Das Wort "fernschauen", gar "das Fernschauen", von einem Schweizer Moderator bei SF DRS? - Undenkbar.
Was gemeint sein könnte, ist "Fernsehen schauen", also der Versuch, mittels ungefährem Synonym die Doppelung "Fernsehen sehen" zu vermeiden. Möglich ist daher (mündlich) "fernsehschauen" - wobei 'Standard' hier nicht bedeutet, dies sei die Norm und üblich, sondern im Gegenteil: (behelfsmässiges) Hochdeutsch.
Weder "schauen" noch "fernsehschauen" existieren auf schweizerdeutsch; man sagt "Färnseh luege" (und hochsprachlich "fernsehen" - oder wählt allenfalls, siehe oben, die Notlösung mit "schauen").
 
 

Kommentar von Alexander Glück, verfaßt am 11.10.2005 um 09.40 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1105

Das Wort sehen erscheint mir in jeder Hinsicht zufälliger und unabsichtlicher als schauen oder gucken, die m. E. einen aktiven, bewußten Vorgang bezeichnen.

Vielleicht erklärt dies auch die von Herrn Nemec angemerkten Bedeutungsunterschiede.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.10.2005 um 10.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1106

Die Substantivierung muß man getrennt halten. Das ist ja auch bei "wiederschauen" so ähnlich, wo es zwar massenhaft "Auf Wiederschauen!" gibt, aber die Verbformen doch eher selten. Vor einigen Jahren habe ich übrigens damit experimentiert, und damals schien es mir, als wenn in den Geschäften zwei Typen von Verkäufern oder Verkäuferinnen bedienten. Die einen beantworten ein "Auf Wiedersehen" mit "Auf Wiedersehen", die anderen mit "Auf Wiederschauen" und umgekehrt. Es gibt also sozusagen den Echo-Typ und den Variations-Typ. Aber das Ganze ist nie zur hieb- und stichfesten Statistik gediehen.
 
 

Kommentar von Pavel Nemec, verfaßt am 11.10.2005 um 10.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1107

Die Grundverben "schauen" und "sehen" bedeuten nicht das gleiche: "schauen" ist ein Aktionsverb, "sehen" ein Wahrnehmungsverb, das erst durch geeignete Präfixe zum Aktionsverb wird. Der berufsmäßige Spielebeobachter Franz Beckenbauer hat die Reihenfolge richtig unterschieden: "Schau'n wir mal, dann seh'n wir schon." Erst als präfigierte Verben gleichen sich bei gleichen Präfixen die Bedeutungen aneinander an.
 
 

Kommentar von Wolf Mayen, verfaßt am 11.10.2005 um 10.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1108

Vor einigen Jahren habe ich übrigens damit experimentiert, und damals schien es mir, als wenn in den Geschäften zwei Typen von Verkäufern oder Verkäuferinnen bedienten. Die einen beantworten ein "Auf Wiedersehen" mit "Auf Wiedersehen", die anderen mit "Auf Wiederschauen" und umgekehrt. Es gibt also sozusagen den Echo-Typ und den Variations-Typ. Aber das Ganze ist nie zur hieb- und stichfesten Statistik gediehen.

Wenn Sie sich (wie ich) den Heidenspaß machen, der Supermarktkassiererin am Montag oder Dienstag im dicksten Mittagsstreß ein "Schönes Wochenende!" hinzuwerfen, werden Sie fast immer ein "Danke, ebenfalls!" zurückbekommen, zuweilen gefolgt von kurzem Überlegen und einem entsprechenden Kommentar.
 
 

Kommentar von Christian Dörner, verfaßt am 11.10.2005 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#1112

Was Herr H. über das Vorkommen im Schweizerdeutschen sagt, ist selbstverständlich richtig. Wie Herr H. korrekt anmerkt, handelt es sich beim Wort fernschauen in der Schweiz nicht um ein schweizerdeutsches Wort, sondern um eine Verwendung im behelfsmäßigen Hochdeutsch. Hier kommt das Wort in der Schweiz allerdings durchaus in Reinform vor, auch wenn die Belege aus Österreich überwiegen. Bei Google findet man aus der Schweiz z. B. folgendes (die Orthographie lasse ich einmal unkorrigiert und unkommentiert so stehen – auch Infinitiv und Substantivierung trenne ich zunächst nicht):

... jenes gleich unfassbar war, wie fernschauen ende der 50er jahren; nur ohne werbung ...

... Ausweiten aufs Fernschauen würde natürlich viele neue Möglichkeiten schaffen! Zum Beispiel die Kombination von Emailen UND Fernschauen gleichzeitig ...

... Ohne Elektrizität ist die Beleuchtung unserer Heime nicht möglich, ebenso Kochen, Radiohören und Fernschauen, das Benützen von Haus- und Werk- Apparate ...

... Wurden wir durch ständiges Fernschauen involviert, oder manipulierten uns die Medien? Waren wir Opfer falscher Aspirationen ...

... So können Qosmio-Besitzer über den integrierten Tuner Fernschauen und gleichzeitig über den zweiten Tuner Sendungen aufnehmen ...


Diese Quellen stammen beispielsweise alle aus der Schweiz (auch wenn die österreichischen Fundstellen häufiger sind), und als kleine Beigabe folgt sogar noch ein Beleg aus der Neuen Zürcher Zeitung, sogar ein glasklarer Infinitiv :

... So wie die Alten - gemäss der kommerziellen Kommunikation sind das jene über 50 Jahre - dürfen natürlich auch Arme, Arbeitslose und Ungebildete fernschauen ... (Neue Zürcher Zeitung, 13. Mai 2005)

In solcher Verwendung habe ich das besagte Verb eben auch manchmal im SF DRS hören können, allerdings nur, wie schon angemerkt, im schweizerischen Hochdeutsch, nie aber im Schweizerdeutschen selbst.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.01.2011 um 16.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=251#17743

In einem Bericht über Schweden (wg. Assange) lese ich:
Damals wurde unter anderem der Tatbestand der Vergewaltigung ausgedehnt – auf sexuelle Vergehen an einer Person, die in einem hilflosen Zustand ist, etwa von Schlafenheit oder Trunkenheit. (Zeit online 6.1.11)

Laut Google gibt es das Substantiv Schlafenheit wohl tatsächlich. Kennt jemand es und weiß, in welcher Gegend es üblich ist?
 
 

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